ANT ON

In der Mitte des Raumes steht ein  Formicarium, in dem ein Ameisenstaat schwarzer Wegameisen (Lasius Niger) lebt. Sie ist die häufigste Ameisenart Mitteleuropas und kann nach der Präsentation der Arbeit problemlos in der Natur ausgesetzt werden. Das Formicarium spiegelt mit seinem trapezförmigen Dach den Bau des Klassenraums wider. Besucher*innen haben die Möglichkeit, den Alltag des Staates durch die Glaswände des Formicariums zu beobachten. Sowohl der Höhlen im Sand als auch die Materialbeschaffung im restlichen Formicarium sind sichtbar. An den Wänden der Klasse befinden sich aufgereiht Din-A4-Blätter, die mit Stecknadeln befestigt wurden. Die Blätter zeigen die Namen der Ameisen. Es wurde nicht jede Ameise individuell abfotografiert, benannt oder markiert, was eine tatsächliche Individualität und Vermenschlichung erzeugen würde. Die Namen sind willkürlich, allerdings gibt es keinen Namen zweimal.

Zuschauer*innen haben nun die Möglichkeit, an der Arbeit zu partizipieren und langfristig Teil von ihr zu werden. Nachdem man sich einen Zeitslot reserviert hat, kann man sich einen der Zettel an der Wand aussuchen. Das jeweilige Blatt mit Namen wird dann auf die Empore der Klasse mitgenommen. Dort wird von Mitgliedern der Klasse ein dazugehöriges Tattoo-Design der jeweiligen Ameise aus einem Ordner herausgesucht, welches sich Teilnehmende daraufhin stechen lassen können.

Um sich tätowieren zu lassen, müssen im Vorfeld Einverständniserklärung und Haftungsausschluss von den Besuchenden unterschrieben werden. Das Stechen der Tattoos geschieht unter Einhaltung strengster Hygienemaßnahmen der UETA, Stand 2019, und dem Land NRW, welche die Klassenmitglieder zuvor detailliert studiert haben und die jederzeit zum Nachschlagen bereit liegen. Dazu haben die Studierenden, die das Stechen übernehmen, zuvor intensiv auf Silikon-Haut geübt und den Auf- und Abbau, sowie das Stechen mittels Online-Kursen selbst erlernt.

 

Der inhaltliche Punkt, der den Besuchenden nicht explizit erklärt wird, ist, dass die ca. 300 Namen in der Klasse alle ein und demselben Design zugeordnet werden. Teilnehmende wissen also nicht, dass sie kein individuelles Design bekommen, sondern alle das gleiche erhalten. Die Erweiterung des Ameisenstaates auf den Teilnehmenden wird also uniform. Partizipierende Besucher*innen nehmen an, in dieser Arbeit Wege einzuschlagen, die identitätsbildend sind. Durch die Entscheidung, sich mit individuellem Namen und Motiv tätowieren zu lassen, wird dem eigenen Ego in seiner Einzigartigkeit geschmeichelt. Dieser Beschluss, sich als Individuum hervorzuheben, macht die tätowierte Person aber hier umso mehr zu einem Teil eines sozialen Gefüges, in dem die Gemeinsamkeiten eine weitaus größere Rolle spielen als die Unterschiede. Aufgegriffen wird hier der westlich-zeitgenössisch omnipräsente Wunsch nach Individualisierung, dem die Klasse Kooperative Strategien mit dieser Arbeit konzeptuell entgegenwirken möchte.